Werbungskosten bei kreditfinanzierten Kapitalanlagen

Schuldzinsen bei einer kreditfinanzierten Kapitalanlage sind als Werbungskosten abzugsfähig, wenn auf die Gesamtdauer der Kapitalanlage gesehen mit einem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu rechnen ist. Zu den Einnahmen rechnen bei dieser Überschussbetrachtung nur die steuerpflichtigen Einnahmen. Steuerfreie Erträge, z.B. steuerfreie Wertsteigerungen, bleiben außer Ansatz. Bei der Abgrenzung der als Werbungskosten abzugsfähigen von den nicht abzugsfähigen Schuldzinsen geht die Rechtsprechung und Finanzverwaltung wie folgt vor:

a) Ein durch Zu- und Abgänge veränderliches Depot wird nicht als Einheit behandelt. Denn Kapitalvermögen im Sinne des § 20 EStG ist nicht die einheitlich zu beurteilende Gesamtheit der Kapitalanlagen, sondern die Summe der jeweils gesondert zu beurteilenden Anlagegegenstände. Daher ist grundsätzlich auf jedes einzelne Wertpapier abzustellen.

b) Die Behandlung jedes einzelnen Wertpapiers als Einkunftsquelle hat zur Folge, dass die einem bestimmten Wertpapier zuzurechnenden Einnahmen und Ausgaben nicht ohne weitere Prüfung mit den Ergebnissen anderer Wertpapiere ausgeglichen werden dürfen.

c) Die getrennte Erfassung von Einnahmen und Werbungskosten für die einzelnen Wertpapiere macht regelmäßig eine Aufteilung der Schuldzinsen erforderlich. Dafür kann eine einfache Verhältnisrechnung genügen; es können aber auch die für die Kontokorrentschulden geltenden Grundsätze anzuwenden sein. Lassen sich die der Erwerbs- und der privaten Sphäre zuzurechnenden Zinsaufwendungen nicht hinreichend ermitteln, so sind die Zinsanteile zu schätzen. Dabei können auch einzelne Gruppen von Wertpapieren zusammengefasst werden. Ist eine Aufteilung auch im Schätzungswege nicht möglich, trägt der Steuerpflichtige die objektive Feststellungslast.

In der Praxis bleibt also der Teil eines Wertpapierdepots, der mit Kredit finanziert wird, steuerlich außer Betracht, weil die steuerpflichtigen Erträge aus den Wertpapieren in den meisten Fällen niedriger sind als die Schuldzinsen. Für den kreditfinanzierten Anteil des Depots werden in der Steuererklärung dann mangels Überschusserzielungsabsicht weder Erträge noch Kosten angesetzt. Es empfiehlt sich deshalb, die Kredite durch eine klare Trennung der Depots und Konten in erster Linie denjenigen Wertpapieren zuzuordnen, die die höchsten steuerpflichtigen Erträge abwerfen.

Deutsche Aktien sollten möglichst nicht mit Kredit erworben werden, weil die Anrechnung der Körperschaftsteuer nach § 36 Abs.2 Nr.3f EStG entfällt, wenn die Dividendenerträge in der Steuererklärung (mangels

Überschusserzielungsabsicht) nicht als Einnahmen erfasst werden.

BFH-Urteil v. 28.10.99 (VIII R 7/97) in BFH/NV 2000 S.564; BFH-Urteil v. 31.8.99 (VIII R 23/98) in BFH/NV 2000 S.420. BStBl 1993 II S.18.

Berlin-Darlehen

Der Schuldzinsenabzug bei refinanzierten Berlin-Darlehen mindert sich entsprechend der Tilgung des Darlehens. Die Schuldzinsen aus dem Refinanzierungsdarlehen müssen also jedes Jahr in dem Umfang gekürzt werden, in dem das Berlin-Darlehen getilgt wird. Wenn am Anfang beispielsweise 70% des Berlin-Darlehens mit Kredit finanziert wurden, so dürfen steuerlich auch in den Folgejahren jeweils nur 70% des nach und nach geringeren Berlin-Darlehens mit Kredit finanziert werden. Die da-rüber hinausgehenden Schuldzinsen sind steuerlich nicht abzugsfähig (BStBl 1997 Teil II S.424).

Kreditfinanzierte Rentenversicherungen

Steuerpflichtige, die eine Leibrente mit Kredit finanzieren, dürfen die Schuldzinsen als Werbungskosten abziehen, wenn ­ auf die Gesamtlaufzeit der Rente gesehen ­ ein Überschuss der steuerpflichtigen Erträge gegenüber den Werbungskosten entsteht.

Bei der langen Laufzeit einer Leibrente lässt sich die Überschusserzielungsabsicht in der Regel nachweisen. Denn der BFH lässt es zu, dass die steuerpflichtigen Erträge, die erst in ferner Zukunft erzielt werden, 1:1 mit den Verlusten verrechnet werden, die in den ersten Jahren entstehen. Solange diese Situation besteht, lassen sich darauf Anlagemodelle aufbauen, mit denen eine lebenslange Rente teilweise aus der Steuerersparnis finanziert werden kann. Siehe hierzu ein BFH-Urteil v. 15.12.99 (X R 23/95) in Der Betrieb 2000 S.699.

Die Finanzverwaltung versucht derzeit allerdings, den Abzug von Schuldzinsen bei kreditfinanzierten Rentenversicherungen einzuschränken. Siehe hierzu den Entwurf des Anwendungserlasses zu § 2b EStG und eine Verfügung der OFD Berlin v. 29.12.98 (St 446-S 2255-1/93) in DStR 2000 S.687. Aufgrund der hohen Kosten, die am Anfang anfallen, lohnen sich Anlagemodelle mit kreditfinanzierten Rentenversicherungen erst nach vielen Jahren, d.h. vor allem bei einer überdurchschnittlich langen Lebensdauer. Anleger, die vorzeitig aussteigen wollen, werden i.d.R. einen Verlust realisieren, so dass von Anlagemodellen mit kreditfinanzierten Rentenversicherungen eher abzuraten ist.