Voller Vorsteuerabzug bei einer Privatwohnung im Geschäftshaus

Der Europäische Gerichtshof hat am 8.Mai 2003 entschieden, dass der Vorsteuerabzug aus den Baukosten eines Geschäftshauses auch dann in voller Höhe vorgenommen werden darf, wenn sich in dem Gebäude eine Privatwohnung des Unternehmers befindet. Dem Verfahren lag ein Vor­abentscheidungsersuchen des BFH zugrunde, in dem es um das Betriebsgebäude einer Gärtnerei ging, das der Unternehmer teilweise zu privaten Wohnzwecken nutzte.

Entsprechende Fälle sollten berichtigt werden, wenn dies für den Steuerpflichtigen vorteilhaft und verfahrensrechtlich noch möglich ist. Der volle Vorsteuerabzug ist i.d.R. nur dann sinnvoll, wenn es um einen Neubau geht, aus dessen Baukosten hohe Vorsteuerbeträge geltend gemacht werden können. Denn die Nutzung zu privaten Wohnzwecken ist bei Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs aus dem privat genutzten Gebäudeteil nach § 3 Abs.9a Nr.1 UStG umsatzsteuerpflichtig, wobei die Kosten des privat genutzten Gebäudeteils als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer dienen (§ 10 Abs.4 Nr.2 UStG).

Umsatzsteuerlich bestehen bei einem Geschäftshaus mit Privatwohnung also zwei Alternativen: das Gebäude kann dem umsatzsteuerlichen Unternehmensvermögen unter Anwendung der neuen Rechtsprechung entweder vollständig zugeordnet werden, oder der Steuerpflichtige ordnet nur den betrieblich genutzten Teil dem umsatzsteuerlichen Betriebsvermögen zu.

Wird das gesamte Gebäude dem umsatzsteuerlichen Unternehmensvermögen zugeordnet, kann die volle Vorsteuer aus den Anschaffungskosten sofort geltend gemacht werden. Im Gegenzug muss jedoch die Privatnutzung der Wohnräume der Umsatzsteuer unterworfen werden.

Alternativ kann nur der betrieblich genutzte Gebäudeteil dem umsatzsteuerlichen Unternehmensvermögen zugeordnet werden. Dann ist die Privatnutzung der Wohnräume nicht umsatzsteuerpflichtig und nur die auf den betrieblich genutzten Gebäudeteil entfallende Vorsteuer darf abgesetzt werden.

Aufgrund der Vorsteuerabzugsmöglichkeit bei teilweise betrieblich genutzten Privatgebäuden sollte bei privaten Neubauten in Zukunft immer überlegt werden, ob das Gebäude teilweise betrieblich genutzt werden kann. Denn durch den Vorsteuerabzug mindern sich die Baukosten um bis zu 10%. Dieser Vorteil wird bei Neubauten durch die spätere Umsatzsteuerpflicht der Privatnutzung nicht kompensiert.

Urteil des EuGH v. 8.5.03 (Rs. C-269/00-Seelig) in Der Betrieb 2003 S.1153.