Verlustvorträge möglicherweise nicht vererbbar

Ein Erbe tritt nach der Fußstapfentheorie zivil- und einkommensteuer-rechtlich in die Rechtsstellung des Erblassers ein. Die in der Person des Erblassers entstandenen Verluste werden deshalb derzeit beim Erben ab-gezogen, soweit sie beim Erblasser nicht geltend gemacht werden konn-ten. Sind mehrere Erben vorhanden, werden die Verluste des Erblassers den Erben nach dem Verhältnis ihrer Erbteile zugerechnet.

Der XI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat jedoch mit Beschluss vom 28. Juli 2004 den Großen Senat des BFH angerufen, um klären zu lassen, inwieweit Erben einen vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlust bei ihrer eigenen Veranlagung zur Einkommensteuer geltend machen können. Der XI. Senat ist der Auffassung, dass die dogmatischen und systematischen Einwände gegen den Übergang der Verlustabzugsmöglichkeit auf Erben zu schwerwiegend sind, um die bisherige Rechtsprechung aufrecht erhalten zu können. Denn der Übergang der Verlustabzugsmöglichkeit stellt eine Durchbrechung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes dar, wonach nur derjenige Steuerpflichtige Verluste Steuer mindernd geltend machen kann, der die Verluste getragen hat und dessen Leistungsfähigkeit dadurch eingeschränkt ist.

Der dem Anrufungsbeschluss zu Grunde liegende Streitfall weist Besonderheiten auf, die insbesondere bei Hoferben auftreten. Die Verluste des Erblassers waren im Streitfall durch die Bewirtschaftung des Hofs entstanden. Das Finanzamt teilte den Verlustvortrag deshalb nach Abschnitt 115 der Einkommensteuerrichtlinien entsprechend der Erbquoten auf die Mitglieder der Erbengemeinschaft auf. Der XI. Senat hat dem Großen Senat des BFH deshalb die weitere Frage vorgelegt, ob der Abzug nur demjenigen Erben zusteht, der den Hof fortführt, falls der Große Senat zu dem Ergebnis kommen sollte, dass ein Verlustvortrag vererbt werden kann.

Steuerpflichtige, die über geerbte Verlustvorträge verfügen, sollten diese deshalb baldmöglichst mit Gewinnen verrechnen, da nicht absehbar ist, wie lange diese Verrechnung noch zulässig ist. Gleiches gilt für Erblasser, die die steuerliche Berücksichtigung vorhandener Verlustvorträge sicherstellen wollen.

BFHbeschluss vom 28.7.2004, Az. XI R 54/99 in Der Betrieb vom 24.12.2004, S. XIV.