Strategien zur Vermeidung von Wertpapier-Spekulationsgewinnen

Aufgrund der Verlängerung der "Spekulationsfrist" auf ein Jahr erzielen immer mehr Steuerpflichtige beim Verkauf von Wertpapieren steuerpflichtige private Veräußerungsgewinne. Schwierigkeiten ergeben sich in diesem Zusammenhang, wenn ein Steuerpflichtiger Aktien derselben Gesellschaft in mehreren Tranchen zu unterschiedlichen Zeitpunkten erworben und in einem Sammeldepot verwahrt hat.

Früher unterstellte die Finanzverwaltung, dass die zuletzt gekauften Wertpapiere - etwa Telekomaktien - zuerst verkauft wurden. Mit Urteil vom 24.November 1993 (BStBl 1994 II,591) hat der BFH dagegen entschieden, dass ein Spekulationsgewinn nur entsteht, soweit mehr Telekomaktien verkauft werden als vor einem Jahr im Depot waren. Wenn nicht mehr Telekomaktien verkauft werden als vor einem Jahr im Depot waren, entsteht also keinerlei Spekulationsgewinn.

Wenn nur ein Teil der verkauften Wertpapiere mehr als ein Jahr im Depot vorhanden war, fällt nur bei den übrigen Wertpapieren ein Spekulationsgewinn an. In diesem Fall wird der Spekulationsgewinn aufgrund der durchschnittlichen Anschaffungskosten für die übrigen Wertpapiere berechnet.

Weitere Schwierigkeiten bei der Berechnung des Spekulationsgewinns ergeben sich, wenn in den letzten 12 Monaten vor dem Verkauf der Wertpapiere Gratisaktien oder Bezugsrechte gewährt wurden. Dann müssen die Anschaffungskosten der Wertpapiere um den auf die Bezugsrechte oder die Gratisaktien entfallenden Betrag reduziert werden. Denn eine Kapitalerhöhung, bei der den Anteilseignern kostenlose Bezugsrechte oder Gratisaktien gewährt wurden, führt wirtschaftlich zu einer Abspaltung der in den Stammaktien verkörperten Substanz und damit zu einer Abspaltung eines Teils der ursprünglichen Anschaffungskosten (BStBl 2001 II,345).

Die vom BFH eingeführte Durchschnittswertmethode bei der Verwahrung der Wertpapiere im Sammeldepot führt im Ergebnis dazu, dass dem Steuerpflichtigen ein bestimmter Anschaffungspreis aufgezwungen wird. Zur Vermeidung eines überhöhten Spekulationsgewinns bleibt dem Steuerpflichtigen derzeit nur die Möglichkeit, eine Wertpapierverwahrung zu wählen, die eine Individualisierung der einzelnen Papiere ermöglicht. Beim Erwerb der Wertpapiere über ein Kreditinstitut können z.B. mehrere Depots und beim Erwerb von Investmentfonds über eine Kapitalanlagegesellschaft können zu diesem Zweck mehrere Anlagekonten eingerichtet werden. Wenn dann jeweils die am teuersten eingekauften Wertpapiere zuerst verkauft werden, verringern sich die Spekulationsgewinne wesentlich. Gleiches gilt für Wertpapiere, die im Betriebsvermögen gehalten werden, beispielsweise als Rückdeckung für Pensionszusagen. Wenn diese Wertpapiere eines Tages nach und nach verkauft werden, um die Pensionen auszuzahlen, können zuerst die "teuer" eingekauften Papiere veräußert werden. Auf diese Weise bleiben die im betrieblichen Wertpapiervermögen enthaltenen stillen Reserven länger erhalten.