Neue Spielregeln aufgrund des Halbeinkünfteverfahrens

Aktionäre, die ihre Wertpapiere wegen der Dividendenerträge gekauft haben, gewinnen und verlieren im neuen Jahr: Einerseits bekommen sie vom Finanzamt keine Gutschrift für die Körperschaftsteuer mehr; andererseits bleiben die Dividendenerträge zur Hälfte steuerfrei.

Diese Änderung betrifft nicht nur Aktionäre. Auch Besitzer von Aktienfonds inländischer Kapitalanlagegesellschaften, von Genossenschaftsanteilen, GmbHanteilen sowie Inhaber bestimmter Genussscheine sind betroffen. Weil nur noch die halbe Dividende steuerpflichtig ist, überschreiten Anleger nicht mehr so leicht den Sparerfreibetrag von 1.550 € bei Ledigen bzw. 3.100 € bei Eheleuten. Das ist für Kleinanleger vorteilhaft. Anleger mit einem Grenzsteuersatz unter 40% haben jedoch ab 2002 weniger von ihren Dividenden, weil die Körperschaftsteuergutschrift weggefallen ist. Andererseits wirkt sich das Halbeinkünfteverfahren bei denjenigen Steuerpflichtigen vorteilhaft aus, die den Sparerfreibetrag anderweitig verbraucht haben und bei denen der Grenzsteuersatz 40% übersteigt.

Für Aktionäre, die ihre Wertpapiere vor allem wegen der Kursgewinne kaufen, ergibt sich durch das Halbeinkünfteverfahren i.d.R. keine Änderung hinsichtlich der Anlagestrategie. Bei Gesellschaftern einer Genossenschaft oder GmbH, die die Rendite vor allem aufgrund der Ausschüttungen erzielen, ist das anders. Da viele Kleinanleger beim Halbeinkünfteverfahren schlechter abschneiden, sollten sie prüfen, ob sich eine solche Beteiligung noch lohnt. Bei einem Kleinanleger, der mit seinem Genossenschaftsanteil im Jahr 2001 noch 5% Rendite erzielte, schrumpft die Rendite wegen des Wegfalls der Körperschaftsteuergutschrift z.B. auf 3,75%, wenn die Genossenschaft im Jahr 2002 eine gleich hohe Gewinnausschüttung vornimmt.

Das Halbeinkünfteverfahren kommt nicht bei allen Dividenden gleichzeitig zum Zuge. Bei Unternehmen mit abweichendem Wirtschaftsjahr kommt das Halbeinkünfteverfahren erst bei Dividenden für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 zur Anwendung. Im Jahr 2002 wird es also noch Dividendenausschüttungen mit Steuergutschrift geben. Als Kapitalanleger erkennt man an Hand der jeweiligen Bankabrechnung, ob die entsprechende Dividende dem Halbeinkünfteverfahren unterliegt oder nicht. Wenn die Abrechnung keine Steuergutschrift enthält, kommt das Halbeinkünfteverfahren zur Anwendung.

Für Dividenden aus ausländischen Aktien gilt das Halbeinkünfteverfahren schon seit 2001. Das muss bei der Einkommensteuererklärung 2001 beachtet werden. Weil Dividenden ausländischer Aktien ab 2001 zur Hälfte steuerfrei sind, verringert sich jedoch gleichzeitig die anrechenbare ausländische Quellensteuer. Denn die Anrechnung der ausländischen Quellensteuer erfolgt nach § 34c EStG höchstens in Höhe der deutschen Einkommensteuer, die auf die halbierten ausländischen Einkünfte anfällt.

Aktionäre französischer Aktiengesellschaften, z.B. der Aventis S.A. (die aus der ehemaligen Hoechst AG hervorgegangen ist) müssen außerdem beachten, dass die französische Körperschaftsteuergutschrift ab 2002 weggefallen ist (BMFpressemitteilung v. 20.11.01 in Finanzrundschau Nr.23/2001 S.VI).

Bei der Kirchensteuer, dem Solidaritätszuschlag und bei der Einkommensgrenze für die Eigenheimzulage bringt das Halbeinkünfteverfahren keine Vorteile. Denn bei der Bemessungsgrundlage für diese Steuern addiert das Finanzamt die steuerfreie Hälfte der Dividendenerträge wieder hinzu (§ 2 Abs.5a EStG; § 51a Abs.2 EStG).

Private Veräußerungsgeschäfte

Vorteilhaft ist das Halbeinkünfteverfahren auch für Anleger, die ihre Wertpapiere häufig umschichten. Fallen beim Kauf und Verkauf von Aktien innerhalb von zwölf Monaten Gewinne an, bleibt die Hälfte jetzt steuerfrei. Dementsprechend werden ab 2002 Spekulationsverluste aus Aktienverkäufen steuerlich nur noch zur Hälfte berücksichtigt. Anders ist es bei Investmentfonds. Hier werden Spekulationsgewinne und -verluste nach wie vor ungekürzt angesetzt (§ 40a Abs.2 KAGG).

Ab wann das Halbeinkünfteverfahren bei privaten Veräußerungsgeschäften zur Anwendung kommt, hängt wie bei den Dividenden vom Wirtschaftsjahr ab. Ab 1.Januar 2002 kommt das Halbeinkünfteverfahren zur Anwendung, wenn das Wirtschaftsjahr der Aktiengesellschaft mit dem Kalenderjahr übereinstimmt. Bei Unternehmen mit abweichendem Wirtschaftsjahr, etwa bei der Siemens AG, kommt das Halbeinkünfteverfahren dagegen erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahres 2001/2002 zum Ansatz, d.h. erst im Laufe des Jahres 2002.

Werbungskosten

Sobald das Halbeinkünfteverfahren bei einer Kapitalanlage zum Tragen kommt, sind auch die mit dieser Anlage im Zusammenhang stehenden Werbungskosten nur noch zur Hälfte abzugsfähig. Kapitalanleger, die ihre Anlagen teilweise mit Kredit erworben haben, sollten diesen Kredit also möglichst den Wertpapieren zuordnen, bei denen die Kreditkosten in voller Höhe abzugsfähig sind; das betrifft z.B. Anleihen, Rentenfonds und ausländische Investmentfonds. In solchen Fällen sollten nach Möglichkeit mehrere Depots eingerichtet werden, damit es keinen Streit über die Frage gibt, welchen Kapitalanlagen die Kreditkosten zuzuordnen sind.