Hinzuschätzungen durch die Finanzbehörden unzulässig?

Auch im Steuerfestsetzungsverfahren ist der strafrechtliche Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten€œ nach Ansicht der Finanzrichter in Düsseldorf zu berücksichtigen. Das bedeutet weiter: Hinzuschätzungen von hinterzogenen Steuern dürfen sich auch im Fall der Verletzung von Mitwirkungspflichten durch den Steuerpflichtigen nicht auf reine Wahrscheinlichkeitserwägungen stützen. Sind die Ausführungen der Steuerpflichtigen nicht vollkommen unwahrscheinlich, entbehren Hinzuschätzungen einer rechtlichen Grundlage.

In dem Urteilsfall ging es um ein in den Blickpunkt der Steuerfahndung geratenes Anlegerehepaar. Dieses erklärte, dass es im Zusammenhang mit der Einführung der Zinsabschlagsteuer in 1992 Wertpapiere im Ausland angelegt und es bisher unterlassen hätte, die daraus resultierenden Zinserträge zu versteuern. In den Jahren zuvor wären die Einkünfte aus Kapitalvermögen aber ordnungsgemäß erklärt. Die Steuerfahndung glaubte dem Paar nicht und schätzte für die Jahre 1987 bis 1992 weitere Kapitaleinkünfte hinzu. Eine vollständige Aufklärung des Sachverhalts war nicht möglich, weil das Ehepaar trotz Aufforderung seinen Mitwirkungspflichten nicht ausreichend nachkam.

Da die Finanzverwaltung in zahlreichen Fällen Steuerhinterziehungen lediglich vermutet und nicht einwandfrei nachweisen kann, hat sie sich mit der Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf nicht zufrieden gegeben und Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt. Der BFH muss damit abschließend drei Fragen klären: Erstens, ob Finanzämter dazu berechtigt sind, bei verschwiegenen Auslandsgeldern Kapitaleinnahmen hinzuzuschätzen. Zweitens, inwieweit das Finanzamt bei der Annahme einer mutmaßlichen Steuerhinterziehung den strafrechtlichen Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten€œ zu prüfen hat. Und drittens, ob sich das Beiweismaß für eine festzustellende Steuerhinterziehung tatsächlich reduziert, wenn die Aufklärung des Sachverhalts daran scheitert, dass der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten nicht nachkommt. In vergleichbaren Fällen sollten die Einspruchsmöglichkeiten überprüft werden.

FG Düsseldorf, Urteil vom 4.11.2004, Az. 11 K 2702/02, DStRE 2005, 700, Revision beim BFH, Az. I R 62/05