Der Umsatzsteuerbetrug erfordert erhöhte Aufmerksamkeit bei grenzüberschreitenden Lieferungen

Die Finanzverwaltung versucht derzeit, die diversen Betrugsmodelle i.V.m. der Umsatzsteuer einzudämmen. Dabei handelt es sich vor allem um folgende Varianten:

- den innergemeinschaftlichen Karussellbetrug,
- den Kettenbetrug im Baugewerbe sowie um
- den Umsatzsteuerbetrug durch Globalzession von Forderungen, durch Grundstücksgeschäfte, durch Leasing und durch Insolvenz.

Im Zusammenhang mit diesen Betrugsfällen zählt nicht nur der Fiskus zu den Opfern, sondern im zunehmendem Maße sind auch ehrliche Unternehmer betroffen, weil die Finanzverwaltung den Vorsteuerabzug aus Rechnungen von Scheinfirmen verweigert oder für steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen Umsatzsteuer verlangt, weil der Rechnungsempfänger inzwischen in Konkurs gegangen ist. Das wird dann im Betriebsprüfungsbericht etwa wie folgt formuliert:

"Voraussetzung für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist u.a., dass die Umsatzsteueridentifikationsnummer des Abnehmers buchmäßig nachgewiesen wird. Damit kann aber nur die Aufzeichnung der richtigen Umsatzsteueridentifikationsnummer des tatsächlichen Abnehmers gemeint sein. Da buchmäßig nicht die Umsatzsteueridentifikationsnummer des tatsächlichen Empfängers, sondern die eines Scheinunternehmers aufgezeichnet wurde, kommt die Steuerbefreiung nicht in Betracht. Die Umsätze sind der Regelbesteuerung zu unterwerfen."

Grenzüberschreitend tätige Unternehmer sollten deshalb bei Geschäften mit dubiosen Firmen einkalkulieren, dass der Vorsteuerabzug aus Warenbezügen oder die Umsatzsteuerfreiheit für entsprechende Warenlieferungen gefährdet ist. Das gilt insbesondere bei unbekannten Geschäftspartnern, die unübliche Preise oder Barzahlungsgeschäfte anbieten.

Ein Beschluss des Hessischen Finanzgerichts vom 5.Januar 2001 (EFG 2003,890) bringt für ehrliche Unternehmer, die von Umsatzsteuerbetrügern als Zwischenhändler benutzt wurden, erste Erleichterungen, falls sie bei der Auswahl des Geschäftspartners mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vorgegangen sind. Das Hessische Finanzgericht argumentiert wie folgt:

• Eine innergemeinschaftliche Lieferung ist steuerfrei, wenn der Unternehmer oder sein Abnehmer den Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat, wenn der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand für sein Unternehmen erworben hat, und wenn der Erwerb des Gegenstandes in einem anderen EUstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt. Diese Voraussetzungen muss der Lieferer durch Belege und Bücher nachweisen.

• Nach § 6a Abs.4 UStG ist eine Lieferung auch dann steuerfrei, wenn die o.g. Voraussetzungen des § 6a Abs.1 UStG nicht vorliegen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung aber auf unrichtigen Angaben des Empfängers beruht, und wenn der leistende Unternehmer die Unrichtigkeit auch bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Für eine Verletzung dieser Sorgfaltspflichten hatte das Finanzamt im Streitfall vor dem Hessischen Finanzgericht lediglich vorgetragen, dass der Unternehmer "anhand der seit Jahren in der Branche bekannten betrügerischen Missbrauchsfälle" zu weiteren Erkundigungen verpflichtet war. Da das Gesetz jedoch keinen Ausschluss der Vertrauensschutzregelung für bestimmte Branchen enthält, kann der Maßstab der Sorgfaltspflichten nur durch individuelle Besonderheiten der jeweiligen Geschäftsbeziehung gesteigert werden, nicht jedoch durch einen branchenbezogenen Pauschalverdacht. Der Unternehmer hat im Streitfall jedoch seiner Sorgfaltspflicht genügt. Denn er hat sich vor Aufnahme der Geschäftsbeziehungen vom Bundesamt für Finanzen die Umsatzsteueridentifikationsnummer samt Geschäftssitz und Registernummer bestätigen lassen (§ 18e UStG).

Auch die weitere Voraussetzung des Buchnachweises (§ 17a UStDV) ist im Streitfall erfüllt, da der Unternehmer Rechnungsduplikate, Frachtbriefe und Ausfuhrbescheinigungen vorgelegt hat.