Trotz Veräußerung eines zugewendeten, mit einem Nießbrauch belasteten Gegenstands kann die Steuer weiterhin gestundet werden

Wenden Eltern ihren Kindern Vermögenswerte zu, ist der Vorbehalt eines Nießbrauchs ein gängiges Gestaltungsmittel. Manche komplizierten Gestaltungen sind steuerlich nicht so einfach zu handhaben, wie der folgende Fall zeigt:
Im Jahr 1998 schenkte ein Vater seinem Sohn 23.000 Aktien und behielt sich den Nießbrauch an den Aktien vor. Bei Veräußerung der Aktien sollte sich der Nießbrauch auch auf alle Erträgnisse der Vermögenswerte erstrecken, die an die Stelle der jeweils veräußerten Aktien treten. Laut Schenkungsvertrag war der Sohn im Falle einer Veräußerung verpflichtet, den Erlös abzüglich der durch den Verkauf veranlassten Steuern in eine noch zu gründende gemeinsame Personengesellschaft einzubringen. Dies geschah ein Jahr später, nachdem der Sohn die Aktien für über drei Millionen DM veräußert hatte. Gleichzeitig räumte der Vater seinem Sohn einen Gewinnvorab aus dem Gewinn der Personengesellschaft von 75.000 DM ein und verzichtete insoweit auf seinen Nießbrauch am Veräußerungserlös. Sohn und Finanzamt stritten nun, wie die Vorgänge zu besteuern sind.
Der Erwerb von Vermögen, dessen Nutzungen dem Schenker zustehen, wurde bis zum Jahr 2008 ohne Berücksichtigung dieser Belastung (im konkreten Fall des Nießbrauchs) besteuert. Dieses Abzugsverbot wurde dadurch abgemildert, dass die Steuer, soweit sie auf das mit dem Nießbrauch belastete Vermögen entfiel, bis zum Erlöschen des Nießbrauchs zinslos zu stunden war. Grundsätzlich endete die Stundung vorzeitig, wenn der Erwerber das belastete Vermögen vor dem Erlöschen des Nießbrauchs veräußerte. Da sich der Vater aber für den Fall der Veräußerung der Aktien die Fortsetzung des Nießbrauchs am Veräußerungserlös bereits in der Schenkungsabrede ausbedungen hatte, musste das Finanzamt die Steuer weiterhin stunden. Der Sohn war weiterhin mit einem Nießbrauch beschwert, wobei lediglich der belastete Gegenstand (Beteiligung an der Personengesellschaft anstatt Aktien) ausgewechselt wurde. Aufgehoben werden musste die Stundung insoweit, als der Sohn den Veräußerungserlös aus dem Aktienverkauf abzüglich Steuern in die Personengesellschaft eingebracht und als der Vater in Höhe von 75.000 DM auf seinen Nießbrauch verzichtet hatte.
Hinweis: Durch die Reform der Erbschaftsteuer ist für erbschaftsteuerliche Erwerbe nach dem 31.12.2008 das Abzugsverbot des Nießbrauchs und die damit korrespondierende Stundung der Steuer aufgehoben worden. Die Nießbrauchslast ist nun wie eine Gegenleistung abzugsfähig.
(Quelle: Urteil des Bundesfinanzhofs)